Der Eschenburgturm

Der Eschenburgturm

November 25, 2019 Aus Von mfsimba

Eigentlich ist er ja zweimal gebaut worden, der Eschenburgturm, das vorweggenommene Wahrzeichen der damals noch gar nicht existierenden Großgemeinde Eschenburg. Hat dem zuletzt 38m hohen Turm aber trotzdem nicht genutzt. Ein paar gezielte Feuerstöße aus den Bordkanonen zweier US-amerikanischer Jagdbomber ließen die hölzerne Konstruktion wie Zunder bis auf die Grundmauer am 23. März 1945 vollständig verbrennen.

Wenige Tage vor Kriegsende hatte es das imposante Gebäude, das nicht nur als Ausflugs- und Aussichtspunkt diente, doch noch erwischt.

Im obersten Geschoss der Aussichtsplattform befand sich zu diesem Zeitpunkt eine Flugwache (Fluwa), die am Morgen des 23. März 1945 mit drei Luftwaffenhelferinnen besetzt war. Die Mädchen konnten sich in letzter Sekunde ins Freie retten, wurden aber noch auf ihrer Flucht von den Angreifern beschossen, blieben aber glücklicherweise unverletzt. Gerade mal neun Jahre nach der Einweihung des Turmes war das Kapitel des Turm´s damit Geschichte, aber erledigt ist damit noch lange nicht. Nach wie vor existieren Pläne, den Eschenburgturm wieder aufzubauen.

Der alte „Turm des deutschen Bergmanns“, wie auch genannt wurde, lebt nicht nur in den Erinnerungen und Köpfen vieler Menschen unserer Region weiter, sondern auch ganz real in vielen Grundmauern von Nanzenbachern Häusern. Der damalige Bürgermeister von Nanzenbach hatte das 500 m³ Grünstein (Diabas) gemauerte, 20m x 20m messende Untergeschoss, bereits im Juli 1945 in einer Nacht und Nebel-Aktion sprengen und als Baumaterial abtransportieren lassen.

Zurück blieben nur einige mächtige Trümmerbrocken. Sie sind inzwischen auch beseitigt. Heute erinnert noch ein Modell am ursprünglichen Standort daran.

Aber vielleicht wird es ja irgendwann durch etwas Richtiges ersetzt. Der historischen Korrektheit wegen darf nicht verschwiegen werden, dass das ganze Projekt auch im Sinne der NSDAP war. Und „die Partei” förderte es nach Kräften. Nicht von ungefähr war der Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft für Volkstum und Heimat Eschenburg”, die quasi als Bauherr operierte, Richard Manderbach, Reichshauptamtsleiter und SA-Brigadeführer.

Es gibt unterschiedliche Deutungen, warum der Turm ins Zielvisier der US-Jabos vom Typ P-47 „Thunderbolt” gerückt war. Letztere nahmen an diesem sonnigen 23. März im weitem Umkreis viele Ziele unter Feuer. Am Ortseingang von Wissenbach beschossen Tiefflieger sogar ein Kuhfuhrwerk, das gerade ein Jauchefass transportierte.

Die Aussichtsplattform des Turmes gewährte einen herrlichen Fernblick auf das Rothaargebirge, den Westerwald und bei klarem Wetter sogar bis in den Taunus hinein. Und weil das so war, hatte das deutsche Militär hier bereits im Juli 1943 eine in Folge rund um die Uhr besetzte Flugwache eingerichtet, die Tag und Nacht nach feindlichen und eigenen Flugzeugen Ausschau hielt und durch eine direkte Fernsprechleitung mit dem Flugwach-Kommando („Fluko”) in Gießen verbunden war.

Dies dürfte den Angreifern durchaus bekannt gewesen sein. Aber ihre zerstörerische Operation wurde noch durch eine weitere Komponente beflügelt. Erst später sollte bekannt werden, dass sich etwa ein Kilometer unterhalb des Eschenburgturms an diesem Tag eine sich auf dem Rückzug befindliche und von einem jungen Leutnant befehligte Maschinengewehr-Abteilung der Wehrmacht festgesetzt hatte.

Ihr galt offensichtlich zunächst die Aufmerksamkeit der gegnerischen Jagdpiloten, die ihr Ziel in immer kürzeren Intervallen und Abständen umkreisten.

Die Deutschen eröffneten mit zwei M9-Maschinengewehren das Feuer auf die Flugzeuge, deren Besatzungen offensichtlich einen unmittelbaren militärischen Zusammenhang zwischen Turm und Truppe vermuteten. „Sie verschwinden hinter dem Kamm der hohen Fichten, stoßen aus ganz geringer

Höhe auf den Turm herab, schießen ihm einige Feuerstöße Brandmunition in die Wände und ziehen dann hoch, als bereits die Rauchfahnen ihrer zündenden Wirkung aus den oberen Stockwerken heraus ziehen”. So schilderte es der Dillenburger Dr. Carl Dönges in einem zeitgenössischen Zeitungsbericht.

Anschaulich beschrieben ” wird der Fall auch in dem von Winfried Krüger, Wolfgang Hofheinz II und Horst Holighaus 2008 herausgegebenen Buch „Der Eschenburgturm”, von dem das Regionalmuseum Eschenburg noch einige Exemplare vorrätig hält.

Hauptlehrer Reinhard Lückoff aus Wissenbach, der unter anderem auch in Hirzenhain unterrichtete und hier als Segelflieger aktiv war, zählte zu den treibenden Kräften des Turmbaus. Er hat dessen Geschichte in dem Buch „Meinen Kindern zu eigen” anschaulich und detailliert dargestellt. Diktion und Wortwahl sind freilich jener Zeit des Dritten Reiches geschuldet.

Nach knapp einer Stunde hatten die ersten Helfer den Ort des Geschehens erreicht, doch zu löschen gab es für sie nichts mehr. Noch während sie fassungslos in die rauchenden Trümmer starrten, kehrten die Jagdbomber zurück. Die Menschen flüchteten in Panik in das angrenzende Gebüsch.

Eine militärische Verwendung hatten die Wissenbacher Väter des Eschenburgturm-Gedankens ursprünglich nicht im Sinne gehabt, als sie Pfingsten 1934 die Arbeitsgemeinschaft „Volkstum und Heimat Eschenburg” aus der Taufe hoben. Erklärtes Ziel: Die Errichtung eines Aussichtsturmes mit integriertem Museum auf der mit 592 Metern höchsten Erhebung der Gegend.

Ihnen schwebte eine Stätte der Begegnung vor, die auch touristische Magnetwirkung entfalten sollte. Daneben sollte die Einrichtung ein Museum mit Exponaten aus der Welt des Bergbaus und des Hüttenwesens sowie I solchen aus der Frühgegeschichte der Region beherbergen.

Das Grundstück stand auf Nanzenbacher Hoheitsgebiet, wechselte dann aber nach zähen Verhandlungen für 1500 Reichsmark den Besitzer. Die Planierung der Freifläche, für die 10 000 Quadratmeter Fichtenwald weichen musste, und die Arbeiten für den Bau der Zufahrtsstraße konnten beginnen. Dadurch war die Beschäftigung von 150 arbeitslosen Wohlfahrtsempfängern für ein halbes Jahr gesichert.

Während Kellergeschoss mit Unterbau, Erdgeschoss und Aufbau aus massivem Mauerstein bestanden, wurden die zehn darüber liegenden Etagen mit ihren insgesamt 160 Fenstern in Holzbauweise gefertigt. 150 Kubikmeter Holz waren dafür erforderlich. Die Zeit drängte, weil der avisierte Einweihungstermin zur Sonnenwende am 20. Juni 1936 immer näher rückte. Aber „Husch” bedeutete in diesem Falle auch „Pfusch”. Unter anderem wurden Eckbalken in aller Eile einfach angesägt, um Fenster einsetzen

zu können, was die Tragfähigkeit der gesamten Konstruktion unterhöhlte.

Die riesige Einweihungsfeier konnte zwar pünktlich erfolgen, doch schon am 30. Juni bezog ein Gendarm am Eingangsportal Position und verwehrte jedem Besucher den Zutritt: Wegen erheblicher Baumängel wurde die Anlage komplett für jedweden Publikumsverkehr gesperrt.

Das zog einen langwierigen Rechtsstreit nach sich, der sich natürlich auch um die Frage drehte, wer denn letztlich für den Murks haftbar zu machen wäre. Es blieb den Verantwortlichen nichts anderes übrig, als den kompletten Holzaufbau Stück für Stück abzutragen und durch einen auch statisch gesünderen (und ein paar Meter kleineren) zu ersetzen.

Während Version 1 unter dem Dach eine offene Aussichtsplattform aufwies, wurden die Luken beim Neubau durch eiserne Fenster geschlossen. Am 15. Juni 1937 hatte schließlich zum zweiten Male Einweihung gefeiert werden können.

Nach dem Krieg fanden auf dem Gelände wiederholt Bergmannsfeste statt, aber Bedeutung erlangt so wie einst hat es nie mehr. Das könnte sich freilich ändern. Seit 2008 liegt eine detaillierte, von der Stadt Dillenburg, der Gemeinde Eschenburg und der Region Lahn-Dill-Bergland in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie für einen Wiederaufbau und eine touristische Nutzung auf dem Tisch. Doch die Kommunen sind derzeit zu klamm, um eine solche Investition, die je nach Ausführung zwischen 423.000 und zwei Millionen Euro liegen würde, zu stemmen.

Aber die Sache ist nach wie vor aktuell und vom derzeitigen Bürgermeister Götz Konrad noch längst nicht zu den Akten gelegt.


Quellen: Bericht des Hinterländer Anzeigers „freiZeit“ vom 21.06.2015 von Jürgen Heimann, Fotos-Schwarz Eschenburg, Foto Trümmer: Regionalmuseum Eschenburg, Foto Modell: rotorman.de (Jürgen Heimann)