Jäger in der Falle

Jäger in der Falle

Dezember 1, 2019 Aus Von mfsimba

Bisher musste jeder Grundeigentümer, der weniger als 75 Hektar Land besaß, automatisch Mitglied in einer Jagdgenossenschaft werden und Jäger auf seinem Gebiet dulden — ob er wollte oder nicht. Im Juni 2012 entschied der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in einem Grundsatzurteil, dass dies gegen Artikel 1 Protokoll Nr. 1 (Schutz des Eigentums) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt.

Am 6. Dezember 2013 trat das Gesetz zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften in Kraft. Das Gesetz ermöglicht Grundeigentümern, die eine Bejagung ihrer Flächen aus ethischen Gründen ablehnen, auf Antrag aus der Jagdgenossenschaft auszuscheiden.

Der Grundeigentümer muss dazu seine ethischen Gründe glaubhaft darlegen. Die zuständige Behörde hat vor ihrer Entscheidung über den Antrag eine Anhörung unter Einbeziehung aller Betroffenen durchzuführen: neben dem Antragsteller sind auch Jagdgenossenschaft, Jagdpächter, angrenzende Grundeigentümer, Jagdbeirat sowie Träger öffentlicher Belange anzuhören.


Schon während der Dreharbeiten große Widerstände!

Es war ein Warnschuss für die Jägergilde und könnte der Anfang vom Ende der traditionellen Jägerei in Deutschland sein. Seitdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg vor eineinhalb Jahren den deutschen Grundstückseigentümern das Recht zugesprochen hat, die Jagd aus Gewissensgründen auf eigenem Grund und Boden zu verbieten, ist nichts mehr wie es war. Jagdkritiker wollen den Abschuss von Wildtieren in Deutschlands Wäldern deutlich einschränken. Manche gehen sogar noch weiter und fordern ein Ende der Jagd.

Peter Wohlleben ist Jäger und stellt sich gegen seine eigene Zunft. Als Gemeindeförster will er am liebsten die Jagd auf Wild in “seinem” Wald in der Eifel und in der ganzen Republik verbieten lassen. “Fast alle Waidmänner jagen doch nur aus der Lust am Töten und kommen ihrer eigentlichen Aufgabe, Wildschäden zu verhindern und die Bestände zu regulieren, überhaupt nicht nach”, meint er.

Deutschlands Wälder sind voller Wildtiere: Im vergangenen Jahr wurden 600.000 Wildschweine in Deutschland erlegt, über eine Million Rehe und tausende Hirsche gehen vor die Büchsen. Den Grund sehen Jagdgegner darin, dass manche Waidmänner Wildschweine, Hirsche und Rehe das ganze Jahr füttern. Tonnenweise fahren sie Kraftfutter und Mais in die Wälder. Die Jäger dagegen argumentieren, an den Fressstellen, den Kirrungen, könnten sie die Tiere besser abschießen und so den Bestand besser regulieren. Jagen sei wichtig für das ökologische Gleichgewicht im Wald.

Erst anfüttern, dann abschießen? Das will Günther Scheuring aus dem unterfränkischen Ostheim zumindest auf seinem Grundstück nicht mehr mitmachen, und das Urteil aus Straßburg gibt ihm und anderen Natur- und Tierschützern Auftrieb. Seine zwei Hektar große Obstwiese hat er ganz offiziell zur befriedeten Zone erklären lassen. Jetzt müssen die Waidmänner einen Bogen um das Grundstück machen.

Während viele konservative Jäger ganz am Brauchtum bei den alljährlichen Drückjagden festhalten und manche auch bereit sind, bis zu 20.000 Euro für einen kapitalen Hirsch zu zahlen, gibt es immer mehr junge Grünkittel, denen es nicht um das Hirschgeweih im Wohnzimmer geht. Für sie zählen vor allem das Erlebnis Jagd und frisches Fleisch aus der Natur.

Doch es gibt auch Alternativen zur traditionellen Jagd, wie das Beispiel des Schweizer Kantons Genf zeigt. Dort haben die Behörden nach einer Volksabstimmung vor 40 Jahren die Privatjagd abgeschafft. Damals gab es kein Schwarzwild mehr, und bis auf ein paar Rehe auch kein Rotwild. Der Bestand der Hasen, Fasane und Rebhühner war gestört. Viele Tierarten, die schon fast ausgerottet waren, sind seitdem zurückgekehrt. Das Gebiet um den Genfer See und die Rhone ist heute ein Vogelschutzgebiet mit internationaler Bedeutung.

Durch den hohen Jagddruck in den umliegenden Regionen suchen viele Wildschweine Schutz im geschützten Kanton Genf. Dem Problem wird mit sanften Mitteln begegnet: Elektrozäune sollen die Tiere fern halten. Der Abschuss durch Wildhüter ist nur als letztes Mittel zur Bestandsregulierung zulässig.



Quelle: zdf.de/planet-e/Jagd-Natur