
Ein Paragraph, der nicht in eine Demokratie passt
Wenn die Meinungsfreiheit zur Auslegungssache wird und längst vergangene Gesetze plötzlich wieder aktuell erscheinen.
Die bevorstehende neue Regierung, die viele als den größtmöglichen politischen Fehlgriff ansehen und die Deutschland so dringend braucht wie einen Schneesturm in der Wüste, macht sich bereits bemerkbar. Sie haben Großes vor und kündigen es ebenso großspurig in ihren Verhandlungspapieren an. Sie planen sogar, das Lügen zu verbieten, denn „die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen fällt nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit.“
Ein Originaltext des § 103a StGB von 1934 lautete:
§ 103a. Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole.
(1) Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Deutschen Reiches oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbände schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
(2) Ist durch die Tat ein schwerer Schaden für das Deutsche Reich oder ein Land entstanden, so kann auf Sicherungsverwahrung erkannt werden.
(3) Wer die Tat grob fahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.“
Dieser Paragraph war Teil der repressiven Gesetzgebung des nationalsozialistischen Staates und diente der Unterdrückung kritischer Meinungsäußerungen. Er wurde nach 1945 nicht in das Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland übernommen.
Diese Vorschrift zielte darauf ab, Kritik an der Regierung oder an regierungsnahen Organisationen zu unterdrücken und stand im Kontext der repressiven Gesetzgebung des NS-Staats zur Gleichschaltung und Kontrolle der öffentlichen Meinung.
Ein gefährlicher Paragraph mit dem Angriff auf die Meinungsfreiheit!
In einem demokratischen Rechtsstaat ist die Meinungsfreiheit eines der höchsten Güter. Sie erlaubt es Bürgern, Kritik an der Regierung zu üben, Missstände aufzudecken und kontroverse Diskussionen zu führen. Doch der hier zitierte Gesetzesvorschlag stellt eine massive Bedrohung dieser Freiheit dar und erinnert an autoritäre Regime, die Kritik mit repressiven Mitteln unterdrücken.
Der erste Absatz des Gesetzesvorschlags kriminalisiert „unwahre oder grob entstellte Behauptungen“, sofern sie das „Wohl des Deutschen Reiches oder eines Landes“ oder das „Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung“ schwer schädigen können. Bereits hier tun sich erhebliche Probleme auf:
- Vage und unklare Begriffe: Was bedeutet „grob entstellt“? Wer entscheidet, ob eine Aussage das „Ansehen“ der Regierung „schwer schädigt“? Diese Formulierungen lassen einen weiten Interpretationsspielraum zu und können missbraucht werden, um unliebsame Kritik zu unterbinden.
- Schutz von Parteien und Verbänden: Besonders problematisch ist, dass nicht nur staatliche Institutionen, sondern auch „die hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbände“ geschützt werden sollen. Damit könnte jegliche Kritik an der Regierungspartei oder deren Verbündeten unter Strafe gestellt werden.
- Harte Strafen für Meinungsäußerungen: Eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren für unbewiesene oder irreführende Aussagen ist drakonisch. Besonders schwer wiegt, dass öffentliche Äußerungen mit einer Mindeststrafe von drei Monaten geahndet werden sollen.
Sollte ein derartiger Paragraph oder ähnlich in Kraft treten, würde dies schwerwiegende Folgen für die Meinungsfreiheit haben:
- Selbstzensur: Journalisten, Aktivisten und einfache Bürger würden sich aus Angst vor Strafen nicht mehr trauen, kritische Aussagen über die Regierung oder politische Parteien zu tätigen.
- Missbrauch durch die Regierung: Ein solches Gesetz könnte als Instrument zur Unterdrückung von Opposition und investigativem Journalismus genutzt werden.
- Einschränkung des öffentlichen Diskurses: Demokratie lebt von Diskussion und Meinungsvielfalt. Ein Gesetz, das strittige Aussagen kriminalisiert, würde zu einem Einheitsdenken und zur Schwächung des demokratischen Prozesses führen.
Einfach mal „Deutsches Reich“ durch Bundesrepuplik und „Reichsregierung“ nur durch Landesregierung ersetzen, dann seht ihr, wie ein solches Gesetz in der heutigen Zeit lauten könnte!
Ein Gesetz, das die Regierung und politische Parteien vor Kritik schützt, wäre ein direkter Angriff auf die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit. Eine Demokratie muss es aushalten können, dass Menschen sie infrage stellen und kritisieren. Wer dies kriminalisieren will, stellt sich gegen die Grundprinzipien eines freiheitlichen Rechtsstaates.
Daher bleibt nur eine Schlussfolgerung: Ein solcher Paragraph darf niemals in Kraft treten.
Mirko Fuchs