Zwangsbejagung ade!

Zwangsbejagung ade!

Februar 16, 2020 Aus Von mfsimba

Keine Jagd auf meinem Grundstück!

Grundstücke im Kreis Siegen-Wittgenstein jagdfrei

Eine leider noch viel zu selten genutzte Möglichkeit, Füchse und Co. vor der Bejagung sowie anderen jagdlich motivierten Eingriffen in deren Lebensraum zu schützen, ist die jagdrechtliche Befriedung von Grundstücken.

Grundstückseigentümer, die aufgrund von Art, Lage und Größe ihrer Grundstücke zunächst automatisch Zwangsmitglied in einer Jagdgenossenschaft sind, können gemäß Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26.6.2012 gegen diese Zwangsmitgliedschaft vorgehen und die Jagd auf ihrem Land aus ethischen Gründen verbieten.

Das Fallbeispiel zeigt, dass es sich lohnt, sich für seine ethische Überzeugung einzusetzen: Fast zwei Jahre nach dem Antrag wurden dank des Durchhaltevermögens der Antragstellerinnen Wiesen- und Ackergrundstücke im Kreis Siegen-Wittgenstein jagdfrei.


Susanne J.* und ihre Schwester Jasmin* sind Eigentümerinnen von Wiesen- und Ackergrundstücken im Kreis Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen. Die Tierfreundinnen können es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass Jäger ihre Grundstücke betreten und darauf Tiere schießen, denn beide lehnen das Töten von Tieren aus ethischer Überzeugung ab, was auch in ihrer veganen Lebensweise zum Ausdruck kommt. Im Dezember 2017 stellten die Schwestern einen Antrag auf jagdrechtliche Befriedung ihrer Grundstücke bei der Unteren Jagdbehörde des Kreises und schalteten eineinhalb Jahre später einen Anwalt ein. Mit Erfolg: Im Spätsommer 2019 kam der erlösende Bescheid. Der Antrag auf jagdrechtliche Befriedung wurde bewilligt!

„Auf unseren Antrag erhielten wir etwa einen Monat später, im Januar 2018 eine Eingangsbestätigung unseres Antrages, in dem wir gleichzeitig aufgefordert wurden, einen aktuellen Grundbuchauszug einzureichen, um uns als Grundstückeigentümerin auszuweisen. Im selben Schreiben wurde uns Gelegenheit gegeben unseren Antrag weiter zu begründen und unsere ethischen Motive zur Ablehnung der Jagd glaubhaft zu darzulegen. Der Aufforderung folgend, reichten wir die beantragten Grundbuchauszüge ein und schickten mit gleicher Post eine weitere Begründung zu. Wir hielten uns hier kurz und verwiesen lediglich ein weiteres Mal auf unsere vegane Lebensweise und die Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen. In dem Brief verwiesen wir auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 26.06.2012, nach dem die Befriedung möglich ist“, so Susanne J.

Nun folgte eineinhalb Jahre keine weitere Nachricht der Jagdbehörde. Ein Anruf der Antragstellerinnen, um nach dem Stand der Dinge zu fragen, erbrachte lediglich die Information, dass die Sache sich so langwierig gestalte, da zuerst alle Beteiligten befragt werden müssten. „In der Hoffnung auf einen friedlichen Ablauf entschieden wir uns für eine eher abwartende Haltung“, erinnert sich Susanne J. Dies änderte sich jedoch mit einem Schreiben im Sommer 2019, in dem den Grundstückseigentümerinnen mitgeteilt, dass eine Ablehnung ihres Antrages beabsichtigt sei. Begründet wurde dies damit, dass nach den „Anhörungen der Jagdgenossenschaft, des Jagdpächters, der angrenzenden Grundeigentümer, des Jagdbeirates sowie der Träger öffentlicher Belange“ festgestellt worden sei, dass „Bedenken gegen eine Befriedung“ bestünden. Zur Begründung wurde angeführt, dass nicht mehr akzeptable Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft entstanden seien, die bei einer Befriedung weiter zunehmen könnten. Daneben wurde auch auf die Afrikanische Schweinepest verwiesen und die Naturschutzbehörde führte aus, „dass innerhalb des Jagdbezirkes eine ordnungsgemäße Jagdausübung auch zukünftig sichergestellt sein sollte, um die erforderlichen Maßnahmen zur Gesunderhaltung oder Wiederherstellung eines lebensraumangepassten Wildbestandes“ sicherzustellen.

Die Grundstückseigentümerinnen schalten einen Rechtsanwalt ein

Diese Begründung der Behörde für die Anlehnung des Antrags auf jagdrechtliche Befriedung war aber nicht mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26.6.2012 vereinbar.

„Die Behörde gab uns Gelegenheit, uns bis zum 07.09.2019 (also etwa ein Monat später – nachdem sie selbst eineinhalb Jahre benötigt hatte) ein weiteres Mal zu positionieren. An diesem Punkt nahmen wir ein weiteres Mal Kontakt mit der Initiative Zwangsbejagung ade auf, die uns Herrn Fiesel als Anwalt empfahl. Er schrieb einen Brief an die Behörde und stellte ihnen eine Frist zur Rückmeldung.“

Die Grundstücke werden jagdfrei!

Mit Erfolg: Einen Tag vor Ablauf dieser Frist erhielten die Grundstückseigentümerinnen die Nachricht, dass der Antrag auf jagdrechtliche Befriedung ihrer Grundstücke bewilligt wurde.
„Die Behörde musste unserer Begründung Recht geben“, so Susanne J. „Das war zum einen sehr erfreulich. Zum anderen bleibt ein bitterer Beigeschmack, da es ohne anwaltliche Hilfe nicht möglich war, unser Recht durchzusetzen. Daher steht die Frage im Raum, was diejenigen unternehmen, die keine finanzielle Möglichkeit haben, eine*n Anwält*in zu beauftragen? Erwähnen möchten wir auch, dass die Befriedung jede von 180 Euro gekostet hat. Neben den Anwaltskosten in Höhe von mehreren Hundert Euro. Wir denken, dass sind Informationen, die vor einer Antragstellung durchdacht werden müssen. Eine positive Folge dieser Befriedung ist die Tatsache, dass wir erfahren haben, dass auf der letzten Jagdversammlung von den Jäger*innen selbst der Gedanke geäußert wurde, dass sie sich für die Zukunft auf weitere solcher Anträge einstellen sollten. Denn es kämen immer mehr junge Leute nach, unter denen auch immer mehr vegane Lebende sind. Das heißt, unser Antrag löste keinen offenen Streit aus, sondern wurde akzeptiert. Wer weiß, vielleicht findet Schritt für Schritt eine Veränderung im Hinblick auf die Jagd statt. Für unser Empfinden hat sich der Weg auf jeden Fall gelohnt.“

* Namen von der Redaktion geändert


Quelle: zwangsbejagung-ade.de