Da hat man aber Schwein gehabt

Da hat man aber Schwein gehabt

März 7, 2020 Aus Von mfsimba

Sie kamen – mutmaßlich – im Schutz von Dunkelheit und Dämmerung aus dem nahen Dickicht, nutzten einen defekten Zaun. Den Menschen gehen sie wenn möglich aus dem Weg. Die Rotte machte sich über den Rasen her, pflügte auf der Suche nach Nahrung die Grasnarbe um und hinterließ einen natürlich belüfteten Rasen. Wildschweine haben den Fußballplatz der Spielgemeinschaft Eschenburg besucht. An mehreren Stellen des Platzes, der nur wenige Schritte vom Waldrand entfernt ist, wurde der Rasen an einigen Stellen umgegraben.

“Einen Stabgitterzaun können wir uns nicht leisten”, erklärt der SG-Platzwart mit Blick auf fünfstellige Kosten, die mit einer wildschweinsicheren Einzäunung verbunden wären. “Das Problem muss grundsätzlich angegangen werden”, erklärt der Forstmann im Dienste der Gemeinde Eschenburg. Viele Landwirte seien gleichfalls von den Schäden betroffen, die Wildschweine vielerorts anrichteten. Hier seien die Jäger gefragt. 

Symbolbild: Kirrung

In der Tat, hier sollte man sich an die Jäger wenden. Ein Rasenplatz im Wald, ein nicht geeigneter, gammeliger Zaun… – die bösen Schweine. Vielleicht sollten die Jäger dort oben aufhören, keine 100m entfernt an einer großen Kirrung, mit jeder Menge Mais die Tiere anzusiedeln!

Fressen Wildschweine viel Mais (Stärke, Zucker) brauchen sie hinterher Würmer (tierisches Eiweiß). Und wo finden sie diese? Am besten unter der feuchten Grasnarbe. Unsere Fichtenmonokulturen bieten das mit den trockenen Böden nicht. Der Forst, der allzu oft mit der Jagd verbandelt ist trägt also eine Mitschuld. Auf Bäume klettern und Borkenkäfer fressen können sie ja nicht.

Mehr Jagd führt zur Vermehrung der Wildschweine

Derzeit ist in allen Zeitungen von einer „Wildschweinschwemme“, gar von einer „Wildschwein-Plage“ zu lesen. Doch obwohl in Deutschland so viele Wildschweine geschossen werden, wie noch nie seit Beginn Aufzeichnungen in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, steigt die Anzahl der Wildschweine weiter. Ist die Lösung des „Wildschweinproblems“, noch mehr Tiere zu schießen? Oder ist gerade die intensive Jagd auf Wildschweine das Problem? Denn so paradox es klingen mag: Je mehr Jagd auf Wildschweine gemacht wird, um so stärker vermehren sie sich. Auf diesen Zusammenhang weisen immer mehr Wissenschaftler hin. Und zu diesem Ergebnis kommt auch eine französische Langzeitstudie: Starke Bejagung führt zu zu einer deutlich höheren Fortpflanzung und stimuliert die Fruchtbarkeit.

Lesen Sie die Übersetzung der französischen Langzeitstudie als pdf-download [4.523 KB]


Screenshot: mittelhessen.de

Jagd: ein Geschäft mit dem Töten

Jagen ist ein Freizeitvergnügen. Von den rund 380 000 deutschen Jägern betreiben nur etwa eintausend das Jagen als Beruf.

Jagen ist ein teures und exklusives Hobby. Nicht nur Waffen und sonstige Ausrüstung sind teuer. Jagen darf nur, wer ein eigenes Revier besitzt, sei es als Grundeigentümer, sei es als Jagdpächter. Da es siebenmal so viele Jäger wie Reviere gibt, gehen die Jagdpachtpreise in die Höhe. In Spitzenlagen werden um 150 Euro pro Hektar gezahlt, und ein Jagdrevier muss mindestens 75 ha groß sein. Für Land- und Forstwirte mit eigenem Revier eine attraktive, zum großen Teil unversteuerte Nebeneinnahme.

Aber auch als Revierpächter kann man noch Profit erwirtschaften und die Nachfrage nach Jagdgelegenheiten, die das Angebot bei weitem übersteigt, in klingende Münze verwandeln: Man kann Jagderlaubnisscheine (eine Art von Unterpacht) ausstellen, wobei jeder einzelne so viel Geld einbringen kann, wie das ganze Revier gekostet hat. Man kann eine unbegrenzte Anzahl von zahlenden Jagdgästen einladen. Man kann einen Hochsitz für eine Nacht vermieten. Man kann Wildschwein und Hirsch für viele tausend Euro einzeln zum Abschuss verkaufen. Man kann sich Freunde unter Parlamentariern, Geschäftspartnern und anderen „Entscheidungsträgern” schaffen, wenn man sie aus lauter Großzügigkeit kostenlos zur Jagd einlädt.

Besonders geschäftstüchtige Jäger pachten gleich mehrere Reviere bis zur gesetzlich erlaubten Höchstgrenze von zusammen 1000 ha und über Strohmänner noch darüber hinaus. Damit das Geschäft so richtig blühen kann, gibt es in manchen Bundesländern wie z.B. Niedersachsen keine Grenzen mehr, wie viele zahlende Jäger sich in einem Revier tummeln dürfen.

Verständlich, dass man unter den Jägern so viele Geschäftsleute, Rechtsanwälte, Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Offiziere, Politiker und sonstige Besserverdiener findet. Diese kommen aus den Großstädten und sogar aus dem Ausland über Hunderte von Kilometern angereist und haben vor Ort einen Jagdaufseher, ohne den sie das Wild nicht finden würden. Es sind Sonntagsjäger im reinsten Wortsinn.

Zu viel Wild, weil zu viele Jäger

Die Jäger berufen sich gern auf ihren gesetzlichen Auftrag. Der besteht einerseits darin, die Wildbestände so zu begrenzen, dass die Schäden, die das Wild im Wald und auf Äckern und Wiesen anrichtet, gering bleiben. Merkwürdig ist nur, dass sie für ihren Dienst kein Geld einfordern, sondern im Gegenteil dafür noch draufzahlen.

Der andere gesetzliche Auftrag besteht darin, dass die Jäger das Wild nicht nur töten sollen, sondern zugleich durch dessen Hege für einen „artenreichen und gesunden Wildbestand” sorgen sollen (Bundesjagdgesetz §1).

In der Praxis vergessen die Jäger den ersten Teil des Auftrags und widmen sich um so mehr dem zweiten Teil:

  • Da wird das Wild — oft ganzjährig — mit Kartoffeln, Mais, Rüben, Äpfeln, Brot, Kuchen, Bahlsen-Keksen und Küchenabfällen gefüttert und so zum Jagdvieh gemacht.
  • Da werden eigens Äcker nur für das Wild angelegt mit ausgesuchten Pflanzen (Mais, Hafer, Klee, Süßlupine, Topinambur und viele andere mehr), wo sich das Wild sein Futter selbst erntet. Dafür wird sogar Wald gerodet.
  • Da werden künstlich hergestellte Futterpellets, angereichert mit Vitaminen, Mineralien und Medikamenten, ausgestreut. Junges Wildgeflügel wird mit „Starter-Wildgeflügelfutter” hochgepäppelt, anderes wird groß und stark mit „Fix-Kraft-Wildfutter” und zum Abschluss — zum Abschuss — mit der „Happy-Brex-Kirrkrokette mit Vitamin B12 und Aminosäuren”  vor den Hochsitz gelockt. Es werden per Digitaluhr gesteuerte Futterautomaten aufgestellt, die zu programmierten Zeiten eine bestimmte Menge Mais freigeben („Automatic Wild Game Feeder”), oder man baut die „patentierte Selbstbedienungs-Sau-Kirrung” von Tüftler Horst Dammler nach. Nach einer Schätzung decken Wildschweine die Hälfte ihres Kalorienbedarfs durch Futter aus Jägerhand.

Foto einer Kirrung in Eschenburg-Simmersbach

In den Hegerichtlinien steht z.B.: “Die Wildfütterung sollte stets nur Überbrückung eines Nahrungsengpasses sein und darf nicht dazu dienen, den Wildbestand zu erhöhen”, aber die Jagdbehörden dulden die gegenteilige Praxis weitgehend, weil sie fest in der Hand der Jäger sind. Das gilt auch für den anderen Satz: „Um dem Wild die ungestörte Nahrungsaufnahme auf den Wildäsungsflächen zu ermöglichen, sollten diese — soweit die Abschußerfüllung nicht darunter leidet — von der Bejagung ausgenommen werden.” Kein Wildacker, an dem nicht mindestens ein Hochsitz steht — sonst wäre der Aufwand doch umsonst!

Foto einer Kirrung in Eschenburg-Simmersbach

Hege ist Produktion von Jagdvieh

„Von jeher waren die Jäger bemüht, Wild zu hegen, also dessen Dichte zu steigern, um ihre Jagd erfolgreicher zu gestalten.” So schnörkellos drückt sich der Jäger Dr. Heribert Kalchreuter aus. Dass er seinem Aufsatz die Überschrift „Der Jäger als Ökologe” gegeben hat, beweist nur, dass auch die Jäger mit der Zeit gehen (Der Jäger als Ökologe, in: Kurt G. Blüchel (Hg.), Die Jagd, Könemann-Verlag 2004, S. 500).

Jetzt kann sich jeder mal Gedanken darüber machen, wer hier in Eschenburg oder überall in Deutschland mit verantwortlich ist, das Schwarzwild Wiesen, Äcker oder auch Sportplätze nach Nahrung umgräbt.

So quälen Jäger in Deutschland bei der Jagd die Wildtiere!

Jagdhunde attackieren ein Wildschwein 10 Minuten lang und die Jäger sind untätig! Dieser Vorfall ereignete sich im Herbst 2019, bei einer Drückjagd im hessischen Gelnhausen.


Fotos: M. Fuchs, Pixabay.de, Screenshot eines Artikels von mittelhessen.de
Video: Peta –  youtube.de