Der Rothirsch ist keine Jagdtrophäe

Der Rothirsch ist keine Jagdtrophäe

September 20, 2025 Aus Von mfsimba

„Ich bin kein Jagderfolg – ich bin ein Lebewesen!“

Wenn der Hirsch ruft, ist das kein Sportereignis und schon gar kein Jagderfolg. Sein Ruf ist ein Naturereignis – ein uralter Klang, der durch unsere Wälder hallt und uns daran erinnert, dass wir nur Gäste sind in seinem Reich.

Seit Jahren gehen meine Frau und ich  in der Brunftzeit der Hirsche, frühmorgens in die Wälder, wenn Nebel in den Tälern liegt und die ersten Rufe durch die Stille hallen. Und jedes Mal ist es, als wäre es das erste Mal. Wir stehen da, mitten unter den Hirschen, hören sie rufen, sehen sie ziehen – und spüren diese Mischung aus Ehrfurcht und Demut.

Gerade deshalb ist es so bitter, wenn diese Tiere auf „Trophäen“ reduziert werden. Sie sind kein Prestigeobjekt, kein Punktestand in irgendeinem Jagdlogbuch. Sie sind stolze, wilde Wesen, die Jahr für Jahr um ihr Rudel kämpfen, die Wälder strukturieren, für den Fortbestand ihrer Art sorgen.

Wir haben das große Glück, in einem Revier fotografieren zu dürfen, in dem während der Brunft so gut wie nicht geschossen wird. Der Pächter geht dort sehr verantwortungsvoll mit dem Wild um und gibt den Hirschen die Ruhe, die sie in dieser Zeit brauchen. Genau so sieht gelebter Respekt vor der Natur aus.

Jeder Hirsch, der ruft, erzählt eine Geschichte – von Rivalität, Kraft, Überleben. Das mitzuerleben ist ein Privileg. Es ist kein Grund, die Büchse zu laden.

Die Brunft ist das schönste Naturtheater, das wir haben. Sie braucht keinen Schuss, sie braucht Respekt.

Und so sehen wir den Hirsch, wie er sein Rudel zusammentreibt, aufmerksam die Umgebung im Blick, jederzeit bereit, Eindringlinge zu vertreiben. Die Kühe und Kälber folgen ihm dicht, sie wissen, dass er ihr Beschützer ist. Dieses Zusammenspiel von Wachsamkeit, Stärke und Fürsorge macht die Faszination der Brunft erst vollkommen – und erinnert uns daran, dass auch diese Tiere Familie sind.

Am Ende bleibt nur eines: still stehen, staunen – und dankbar sein, dass wir dabei sein dürfen.


© 2025 Mirko Fuchs