Der Staat als Komplize

Der Staat als Komplize

August 1, 2025 Aus Von mfsimba

Warum Jagd politisch geschützt ist
Ein kritischer Blick auf ein blutiges Privileg


Die Jagd in Deutschland gilt vielen als traditionsreiches Handwerk, als notwendige Maßnahme zur Regulierung des Wildbestands oder gar als Beitrag zum Naturschutz. Doch bei näherem Hinsehen wird klar: Die Jagd ist weder ökologisch zwingend noch ethisch vertretbar – und sie bleibt nur deshalb bestehen, weil der Staat ihre Existenz politisch schützt und legitimiert.

Jährlich sterben in Deutschland über vier Millionen Wildtiere durch Jägerhand. Rehe, Füchse, Wildschweine, Hasen – erschossen, gefangen, vergiftet oder zerfetzt. Für viele Jägerinnen und Jäger ist das Töten nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Teil einer Kultur, in der die Waffe Statussymbol ist und das Wild zum Objekt degradiert wird.

Die Argumentation der Jagdbefürworter stützt sich auf drei zentrale Säulen: Populationskontrolle, Seuchenprävention und Schutz der Landwirtschaft. Doch diese Rechtfertigungen halten einer kritischen Prüfung kaum stand. Wildtierpopulationen regulieren sich – sofern unbeeinflusst vom Menschen – auf natürliche Weise. Die afrikanische Schweinepest und andere Krankheiten verbreiten sich trotz intensiver Bejagung, und ökologische Schäden durch Wildverbiss sind meist eine Folge von Monokulturen und forstwirtschaftlichen Fehlplanungen, nicht von zu vielen Rehen.

Trotz massiver Kritik aus der Wissenschaft und aus Tierschutzkreisen bleibt das Jagdrecht in Deutschland rigide und reformresistent. Warum? Weil sich hier ein staatlich legitimierter Machtapparat mit privaten Interessen verquickt. Die Jagdlobby ist bestens organisiert, sitzt in Parlamenten, Agrarministerien und Behörden. Ihre Sprache ist die der „Hege“, ihre Waffen sind politische Netzwerke.

Ein krasses Beispiel: In vielen Bundesländern haben Grundstückseigentümer keine Möglichkeit, sich gegen die Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften zu wehren – selbst wenn sie aus ethischen Gründen jede Form der Jagd ablehnen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies 2013 zwar eingeschränkt, doch die Umsetzung ist schleppend, die Ausnahmen begrenzt. Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit bleibt de facto untergeordnet – ein Skandal in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat.

Was bei keinem anderen Hobby akzeptabel wäre – das vorsätzliche Töten von Tieren – ist in der Jagd nicht nur erlaubt, sondern rechtlich privilegiert. Der Staat erteilt Jagdscheine, schützt Jagdausübungsrechte und kriminalisiert sogar das Stören der Jagd. Menschen, die Jagdstände markieren oder Kameras im Wald anbringen, um Tierleid zu dokumentieren, werden kriminalisiert – während das Töten selbst völlig legal bleibt.

Dass das Töten von Wildtieren auch psychische Auswirkungen hat, wird kaum diskutiert. Jagd ist ein Akt der Gewalt, und wer systematisch Lebewesen tötet, stumpft nicht selten gegenüber dem Leiden anderer ab. Studien aus anderen Ländern belegen, dass eine Nähe zur Jagd mit einer erhöhten Toleranz gegenüber Gewalt einhergehen kann.


Zeit für eine politische Debatte

Die Jagd ist kein Naturschutz. Sie ist auch keine ethisch neutrale Verwaltung von Wildtierbeständen. Sie ist ein blutiges Relikt, das von staatlicher Seite gestützt wird, weil eine gut vernetzte Minderheit davon profitiert – finanziell, kulturell und politisch.

Es wird Zeit, dass die Jagd aus der politischen Komfortzone geholt wird. Eine demokratische Gesellschaft muss sich fragen: Warum schützen wir das Töten von Tieren mit Gesetzen, anstatt Alternativen zu fördern – etwa wildtierfreundliche Forstwirtschaft, Herdenschutz statt Wolfsabschuss oder tierethische Bildung statt Trophäensammlungen?

Solange der Staat Komplize der Jagd bleibt, bleibt er auch mitverantwortlich für das, was im Wald geschieht: Gewalt, die wir längst hinter uns lassen sollten.


Mirko Fuchs