September 21, 2024Die Hirschbrunft im September
Es ist Anfang September, die Luft ist kühl und klar. Die ersten Nebelschleier liegen schwer auf den Wiesen, und die Blätter der Bäume beginnen sich leise in goldene Töne zu verfärben. Für viele mag der Herbstbeginn ein sanfter Übergang in die kühlere Jahreszeit sein, doch für den Naturfotografen markiert er eine der aufregendsten Zeiten des Jahres: Die Hirschbrunft. Ein faszinierendes Naturschauspiel, bei dem die Wälder von einem uralten, tiefen Klang erfüllt werden – dem Röhren der Hirsche.
Der Ruf der Wildnis
Es ist noch dunkel, als meine Frau und ich uns auf den Weg machen. Die Kameraausrüstung sicher verstaut, das Stativ geschultert, ziehen wir in den Wald, wo nur das Knirschen des Laubes unter den Schuhen die Stille bricht. Doch diese Ruhe trügt. Bald wird das morgendliche Zwielicht den Raum für das Schauspiel öffnen, auf das wir so lange gewartet habe.
Während wir in der Dämmerung vorsichtig tiefer in den Wald gehen, hören wir es zum ersten Mal: Das durchdringende Röhren eines Hirsches. Es ist ein ehrfurchtgebietender Klang, der durch Mark und Bein geht, und uns immer wieder Gänsehaut beschert, egal wie oft wir ihn bereits gehört haben. Dieser tiefe, schallende Ruf ist der Beginn eines Rituals, das seit Jahrhunderten den Lauf des Herbstes bestimmt – der Kampf um die Weibchen und das Recht, sich fortzupflanzen.
Das erste Licht
Endlich erreichen wir einen Beobachtungspunkt, wo man aus einiger Entfernung den Blick über das Tal hat. Wir wählen ihn mit Bedacht, ein unscheinbares Gebüsch am Rande einer Lichtung, das uns genug Deckung bietet, um ungestört zu beobachten und die besten Aufnahmen zu machen. Hier sitzen wir, regungslos, geduldig. Nur das sanfte Klicken der Kamera ist ab und an zu hören, während das erste Licht des Tages über die Baumwipfel kriecht und den Nebel über der Lichtung in ein zauberhaftes Leuchten taucht.
Da! Eine Bewegung am Rande der Lichtung. Der mächtige Hirsch tritt vorsichtig aus dem Schutz der Bäume hervor. Sein Geweih thront majestätisch über seinem Haupt – ein Zeichen der Stärke und der Zeit, die er in den Tiefen des Waldes verbracht hat.
Die Morgensonne fängt sich auf seinem Fell und lässt ihn fast magisch erscheinen. Er hebt den Kopf, schnuppert in der Luft, lauscht. Dann stößt er erneut sein tiefes, forderndes Röhren aus.
Augenblicke der Stille
Die Momente zwischen den lauten Rufen sind fast noch intensiver. Die Stille, die folgt, lässt die Zeit stillstehen. Kein Wind bewegt die Blätter, kein Vogel wagt es zu singen. Es scheint, als halte die ganze Natur den Atem an, als sei dies der Moment, in dem die Welt dem Hirsch ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt.
Wir beobachten fasziniert, wie er langsam und mit großer Würde über die Lichtung schreitet. Die Sonne steht nun höher am Himmel, das Licht ist schärfer geworden, und die Tiere ziehen sich allmählich zurück. Für uns endet hier ein unvergesslicher Morgen. Der Weg zurück durch den Wald ist begleitet von dem leisen Rascheln der Blätter und dem fernen Röhren, das allmählich verstummt.
Die Erinnerung in Bildern
Zurück zu Hause, bei einer Tasse Kaffee und einem ausgiebigen Frühstück, lassen wir den Morgen noch einmal Revue passieren. Wir schauen uns gemeinsam die Bilder an und sind überwältigt von den Momenten, die wir einfangen durften. Die Hirschbrunft ist jedes Jahr aufs Neue ein atemberaubendes Erlebnis – nicht nur wegen der beeindruckenden Kämpfe, sondern wegen der besonderen Stimmung, die diese Jahreszeit ausstrahlt. Der Wald im Herbst ist lebendig, voller Geschichten und voller Magie.
Es sind diese kleinen, flüchtigen Augenblicke – das erste Licht des Tages, der majestätische Anblick eines Hirsches im Nebel, das Knarren der Geweihe im Kampf – die uns jedes Jahr wieder hinaus in die Natur ziehen. Die Hirschbrunft ist mehr als nur ein Schauspiel. Sie ist ein Tanz des Lebens, ein Fest der Natur, die uns mit Ehrfurcht und Dankbarkeit erfüllt. Und jedes Foto, das wir machen dürfen, erzählt eine kleine Geschichte aus dieser faszinierenden Zeit.
WER DIESER MAGIE EINMAL VERFALLEN IST, KOMMT NIE WIEDER DAVON LOS!
Fotos: Fuchs [...]