Das Reh (Capreolus capreolus)

Das Reh (Capreolus capreolus)

November 24, 2019 Aus Von mfsimba

Wildtier des Jahres 2019

Das Rehwild ist fast in ganz Europa verbreitet. Die Mosaikstruktur unserer Landschaft, geprägt durch land- und forstwirtschaftliche Flächen, bietet dem Rehwild einen sehr großen und günstigen Lebensraum.  Das Verbreitungsgebiet des Rehwildes erstreckt sich bis ins nördliche Skandinavien und grenzt im Osten an das sehr viel größere sibirische Rehwild.

Erscheinungsbild:
Das Reh ist im Sommer rotbraun, im Winter graubraun gefärbt. Im Nordwesten Deutschlands kommen gelegentlich auch Rehe mit schwarzer Färbung vor. Rehkitze tragen ein weiß getüpfeltes Fell, das sie in ihren Verstecken sehr gut tarnt. Mit dem Wechsel zum Winterfell verschwinden diese Flecken völlig. Im Winter, wenn die Böcke keine Gehörne tragen, kann man die Geschlechter anhand des Spiegels (weiße Flecken am Hinterteil) unterscheiden. Bei der Ricke ist der Spiegel „kleeblattförmig“, beim Bock „nierenförmig“. Die Körperlänge beträgt 0,95-1,35 m, die Schulterhöhe 0,65-0,75 m.

Lebensweise:
Rehe sind sehr standorttreu und halten die Grenzen ihres Aktionsraums, zum Beispiel Feldränder, Wege, Straßen oder Hecken genau ein. Zur Reviermarkierung dienen ihnen Drüsen oberhalb der Hufe und den Rehböcken zusätzlich die Duftdrüsen auf der Stirn. Rehböcke besetzen ihre Territorien häufig über mehrere, aufeinanderfolgende Jahre. Die Ricken leben vor allem während der ersten Wochen nach der Geburt des Kitzes einzelgängerisch in einem kleinen Aktionsraum, den sie gegen andere Ricken verteidigen. Zu Beginn des Herbstes schließt sich Rehwild zu kleinen Verbänden, den Sprüngen, zusammen. Vor allem in der offenen Feldflur können diese Verbände aus Dutzenden Individuen bestehen.

Fortpflanzung:
Die Brunft des Rehwildes, auch Blattzeit findet bei uns etwa von Mitte Juli bis Mitte August statt. Wochen zuvor haben die Rehböcke bereits ihre Reviere markiert und gegen Eindringlinge verteidigt. Besonders intensiv ist dieses Territorialverhalten im Mai, wenn Imponier- und Drohgebärden bei gleich starken Böcken häufig im direkten Kampf mit dem Geweih enden. Die Brunftzeit der Ricken ist im Gegensatz zu den Rehböcken kurz und beginnt etwa 67 Tage nach der Geburt ihres Kitzes. Sie dauert nur jeweils etwa vier Tage. Rehböcke wittern paarungsbereite Ricken in ihrem Territorium und folgen ihnen manchmal über Tage. Die Böcke verlieren in dieser Zeit erheblich an Körpergewicht.
Nach der Paarung entwickelt sich das befruchtete Ei bei Rehen durch die sogenannte Keimruhe erst ab Dezember. Die Kitze kommen im darauffolgenden Mai und Juni zur Welt. Je nach Biotop bringen Ricken einzelne Kitze oder Zwillinge zur Welt, in seltenen Fällen Drillinge.

Bedrohungen:
Fast 200.000 Rehe fallen jährlich dem Straßenverkehr zum Opfer und sterben mitunter erst nach einigen Tagen qualvoll an ihren Verletzungen.
Tag für Tag werden bundesweit Jäger von der Polizei zu verletzten Wildtieren gerufen, um den Fangschuss zu setzen und die tierischen Unfallopfer von ihrem Leiden zu erlösen. Dabei lässt sich das Massensterben der Tiere auf Deutschlands Straßen minimieren. Wenn Autofahrer das Warnschild für Wildwechsel sehen, sollten sie die Straßenränder im Auge behalten und bremsbereit fahren. Dann lässt sich ein Wildunfall eher vermeiden. Besonders gefährlich sind die Übergangsbereiche zwischen Wald und Feld.
Ein großes Tierschutzproblem ist außerdem die Verstümmelung von Rehkitzen unter den Messern der landwirtschaftlichen Mähmaschinen.

Nutzen und Feinde:
In ungestörten Ökosystemen ist die wichtigste Funktion des Rehs wohl die des Beutetieres für Wolf und Luchs. Doch auch das Aufschlagen des Waldbodens durch Rehböcke, das „Plätzen“ und das Scharren am Waldboden im Winter führt zu Bodenverwundung mit Folgen für das Ökosystem Wald: Die Humusauflage wird an diesen Stellen entfernt und der Rohboden freigelegt. Dies ist wiederum der notwendige Wuchsplatz für Pflanzensamen, die nur auf rohem Boden keimen wie zum Beispiel Birke, Kiefer oder Tanne.Doch große Wildtiere wie Rehe erfüllen noch andere Funktionen: Ihr ausgefallenes Winterfell nutzen viele Vogelarten für den Nestbau. Abgeworfene Geweihstangen sind durch ihren hohen Kalzium- und Phosphorgehalt vor allem bei zahlreichen Nagetieren beliebt. Und auch der Tod hat seine Funktion: Die Kadaver von verendetem Wild dienen vielen Tierarten als Nahrung.

Nahrung:
Rehe sind wie alle Hirscharten Wiederkäuer, die ihre Nahrung erst verdauen können, nachdem sie sie hochgewürgt und ein zweites Mal zerkaut haben. Im Gegensatz zu Rot- und Damwild bevorzugen Rehe ausschließlich leicht verdauliche Nahrung wie junge Gräser, Knospen, Kräuter und im Winter die grünen Blätter von Brom- und Himbeeren. Die meisten der von Rehen geschätzten Äsungspflanzen deuten auf einen hohen Stickstoffgehalt des Bodens hin und sind damit besonders eiweißreich. In der Feldflur fressen Rehe besonders gerne Raps, der vor allem im Frühjahr eine große Rolle in ihrer Ernährung spielt.

Ein etwa 20 Kilogramm schweres Reh braucht zwischen zwei und vier Kilogramm Grünmasse pro Tag. Von März bis Juli und von Anfang September bis Anfang November nehmen die Tiere stark an Gewicht zu. Die im Frühjahr aufgebauten Reserven werden während der Brunft im Juli und August wieder abgebaut und die im Herbst angelegten Reserven dienen der Überbrückung des Nahrungsmangels im Winter.


Quellen: Deutsche Wildtierstiftung, Stiftung Unternehmen Wald,
Fotos: Mirko Fuchs