Panik statt Vernunft

Panik statt Vernunft

Juni 27, 2025 Aus Von mfsimba

Die Hetzjagd auf das Wildschwein

Seit dem Auftreten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland erleben wir eine alarmierende Entwicklung – nicht der Krankheit wegen, sondern wegen der Art und Weise, wie Politik, Agrarindustrie und Teile der Medien mit ihr umgehen. Was ursprünglich als Tierseuche ernstgenommen werden sollte, ist längst zum Vorwand für einen Feldzug gegen die Natur und insbesondere gegen das Wildschwein geworden. Die ASP wird instrumentalisiert, um Ängste zu schüren, Freiheit zu beschneiden und eine gnadenlose Politik gegen Wildtiere zu rechtfertigen.


Die große Angstmaschine

Zwar ist die ASP für Wild- und Hausschweine tödlich, für den Menschen aber völlig ungefährlich. Doch dieser simple Fakt wird systematisch verdrängt. Stattdessen überschlagen sich Schlagzeilen mit dramatisierenden Formulierungen: Von „gefährlichem Seuchenherd“ und „Ausnahmezuständen“ ist die Rede – als ob eine neue Pest über das Land rollt. Tatsächlich aber geht es hier nicht um Gesundheitsschutz, sondern um wirtschaftliche Interessen: Die Fleischindustrie fürchtet um ihre Exportmärkte, die Behörden um ihren Ruf als „Seuchenbekämpfer“, und Medien wittern eine neue Panikstory, die sich gut verkauft.

Im Zentrum der Hysterie steht das Wildschwein – ein intelligentes, anpassungsfähiges und ökologisch bedeutsames Tier. In der öffentlichen Darstellung wird es mittlerweile fast dämonisiert. Statt den Fokus auf Hygiene in der industriellen Schweinehaltung oder auf den globalen Fleischhandel zu legen – also dort, wo die echten Risikofaktoren liegen –, zeigt man mit dem Finger auf das Wildtier. Es wird pauschal zum „Seuchenüberträger“ erklärt und zur Zielscheibe von Abschussquoten, Zäunungen und Massentötungen. Was früher jagdethisch diskutiert wurde, wird heute unter dem Label „Seuchenschutz“ bedenkenlos durchgezogen.

Der angebliche „Kampf gegen die ASP“ ist in Wirklichkeit ein Krieg gegen das Wildschwein – und gegen den gesunden Menschenverstand. Behörden errichten kilometerlange Wildzäune, schneiden Lebensräume ab, lassen tausende Tiere töten und setzen auf Abschussstrategien, die ökologisch wie ethisch kaum haltbar sind. Dabei wird ignoriert, dass Wildbestände sich kaum vollständig kontrollieren lassen – und dass übertriebene Jagd oft das Gegenteil bewirkt: stärkere Vermehrung, größere Wanderbewegungen, mehr Verbreitungsrisiko.

Auch wissenschaftlich ist die Wirksamkeit vieler Maßnahmen umstritten. Doch Kritik wird selten gehört. Wer Bedenken äußert, gilt schnell als „verantwortungslos“ oder „naiv“. Kritische Stimmen aus Naturschutz, Tierethik und unabhängiger Forschung werden systematisch marginalisiert.

Statt panisch zu reagieren und Wildtiere zu bekämpfen, sollten wir endlich umdenken. Das Wildschwein ist kein Feind, sondern Teil eines funktionierenden Ökosystems. Es erfüllt wichtige Aufgaben in der Waldpflege, trägt zur Biodiversität bei und gehört zur natürlichen Fauna Mitteleuropas. Es verdient Respekt, nicht Verfolgung.

Wir brauchen eine besonnene, faktenbasierte Politik, die auf Aufklärung statt auf Panikmache setzt, die die industrielle Tierhaltung hinterfragt statt Wildtieren die Schuld zu geben – und die endlich erkennt, dass der Schutz von Natur nicht im Widerspruch zu Seuchenprävention stehen muss.


Die Afrikanische Schweinepest ist real – aber der wahre Skandal ist die Art, wie sie missbraucht wird. Das Wildschwein wird zum Sündenbock einer überdrehten Agrarpolitik gemacht, während wirtschaftliche Interessen hinter dem Vorhang die Fäden ziehen. Es ist höchste Zeit, diesen Irrsinn zu stoppen – im Namen der Vernunft, des Tierschutzes und einer intakten Natur.


Fotos: M. Fuchs